09.04.2020

Reduktionspotential hinsichtlich Zucker & Co bei Fertigprodukten und Erfrischungsgetränken noch nicht ausgeschöpft | PA

Im Rahmen der Nationalen Strategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sollen bis 2025 die zugesetzten Gehalte an Zucker, Fetten und Salz in bestimmten Fertigprodukten reduziert werden. Zu den relevanten Produktgruppen, die „reformuliert“ (d.h. deren Rezepturen im Hinblick auf geringere Gehalte an ernährungsphysiologisch kritische Inhaltsstoffen wie Zucker, Salz und Fett) auf freiwilliger Basis verändert werden sollen, gehören:

  • Frühstückscerealien -> Zucker, gesättigte Fettsäuren
  • Joghurt- und Quarkzubereitungen ->  Zucker
  • Tiefkühl-Pizzen -> Salz, gesättigte Fettsäuren
  • Brot, Brötchen -> Salz

Die Zwischenerhebung zu Milchprodukten, Erfrischungsgetränken, Frühstückscerealien und Tiefkühl-Pizzen liegt jetzt vor. Ende des Jahres 2020 ist ferner ein Bericht des BMEL zum Stand der Umsetzung vorgesehen, in dem weitere Zielvereinbarungen zum Abschluss kommen sollen (siehe auch Produktmonitoring 2019 – Zusammenfassung und Kernaussagen. MRI, 2020)

Beispielsweise ist im Vergleich zu 2018 etwa ein Drittel weniger Zucker in Erfrischungsgetränken für Kinder enthalten, was einer absoluten Verringerung des Zuckergehalts um 2,7 g/100 ml (*) entspricht. Dies ist laut Prof. Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums, durchaus zu begrüßen, da ein hoher Konsum zuckerhaltiger Getränke mit der Entwicklung von Adipositas (Fettleibigkeit), Diabetes mellitus Typ 2 und weiteren chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Im Gegensatz dazu beträgt jedoch die ermittelte durchschnittliche Reduktion der Zuckergehalte bei regulären Limonaden, Cola/Cola-Mischgetränken bzw. Teekaltgetränken nur 0,2 g/100 ml bzw. 0,7 g/100 (*), was relativ wenig ist. Auch für die anderen untersuchten Fertigprodukte (*) fällt die Bilanz teilweise nicht so positiv aus, weshalb weiterhin dringender Handlungsbedarf besteht. [Hinweis: Die mit (*) gekennzeichneten Anmerkungen beziehen sich auf die Pressemitteilung Nr. 61/2020 des BMEL.]

Die Zufuhr freier Zucker sollte laut Prof. Hauner auf unter 10 % der Gesamtenergiezufuhr beschränkt werden, d.h. maximal etwa 50 g Zucker pro Tag bei einer Kalorienzufuhr von durchschnittlich 2.000 kcal (siehe „nachdrückliche WHO-Empfehlungen“ bzw.  englischer Begriff „strong recommendation“). [Erläuterung: Freie Zucker umfassen dabei Monosaccharide (Traubenzucker, Fruchtzucker) und Disaccharide (Haushaltszucker, Milchzucker, Malzzucker), die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten natürlich vorkommende Zucker. Weitere Informationen dazu im Konsensuspapier Zucker von DAG, DDG und DGE, 2018].

Prof. Hauner führt ferner an, dass Kinder und Jugendliche zwischen 2 bis 18 Jahren sogar weniger als 5 % der Gesamtenergiezufuhr über freie Zucker decken sollten, um Übergewicht und Zahnkaries zu vermeiden.

Deutschland ist eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an zuckergesüßten Getränken weltweit. Im Schnitt konsumieren wir pro Kopf und Jahr mehr als 80 Liter zuckergesüßte Getränke.

Regierungen und Behörden im Ausland würden laut dem Ernährungsmediziner Hauner immer häufiger auf Maßnahmen zur Reduktion des Zuckerkonsums mit Hilfe fiskalischer Instrumente setzen. Beispielsweise erließ Großbritannien eine Herstellerabgabe auf zuckerhaltige Getränke. Auf diese Weise konnte bei einer Zitronenlimonade der Zuckergehalt um die Hälfte auf 3,3 g/100 ml gesenkt werden. Die gleiche Zitronenlimonade wurde im Jahr 2018 in Deutschland jedoch mit einem Zuckergehalt von 9,1 g/100 ml vertrieben (siehe Marktstudie von foodwatch, 2018).

Dies macht deutlich, dass weitere Anstrengungen notwendig sind, um die Gesamtenergiezufuhr aus Getränken positiv zu beeinflussen. Süßstoffe in Getränken, wie Limonaden, an Stelle von Zucker können dazu beitragen, die Gesamtenergieaufnahme zu reduzieren, da sie im Vergleich zu Zucker eine 30- bis 13 000-mal höhere Süßkraft verglichen mit dem Haushaltszucker Saccharose aufweisen. Sofern jedoch häufig sehr süße Speisen und Getränken verzehrt werden, bleibt die Reizschwelle für süß relativ hoch; aus ernährungsmedizinischer Sicht wäre laut Prof. Hauner es jedoch wünschenswert, diese Geschmacksschwelle schrittweise herabzusetzen.